Brigitta Scherleitner: In mir

Jahrzehnte hatte ich mich auf diesen Augenblick vorbereitet.
Leer sein, den Atem spüren, mit dem Herzschlag langsam in die Tiefe, lang…sam, l a n g…s a m... ...

Körperlos war ich nun und wusste doch, dass ich noch war, glitt durch die Halle der Zwölf, vorbei an der Höhle der vier Winde, strömte durch die Kammern der pochenden Unruhe, bis ich an ein Hindernis stieß, die fünfte Kammer, die das große Geheimnis des Lebens barg.
Sie war winzig klein und hatte keinen Zugang. Trotzdem füllte sie plötzlich den Raum vor mir und hinter mir, ihre Wände umgaben mich und traten gleichzeitig zurück.
Zum Klöppel einer Glocke wurde ich, prallte gegen die ehernen Wände, die vom Aufschlag zu dröhnen begannen. Die Schallwellen zerbrachen mich in Stücke.
In einer anderen Ganzheit schlug ich abermals gegen die Glockenwand, wurde zertrümmert und aufs Neue geformt, unzählige Male, bis in mir die Silbe des Lebens erwachte und gegen den Glockenmantel schwang. Die fünfte Kammer weitete sich zu einem riesigen Raum.
Da wurde ich geboren, war Teilung, war Zelle, wurde gezeugt, war Staubkorn in der Leere.

Fliegen durch farbige Nebel und Galaxien, Verglühen. Vor mir noch vereinzelt Reste von Planeten, schwach leuchtende Sonnen, dann nichts mehr. Nur diese endlose, alles verschlingende Schwärze.

Ich fand mich wieder, umgeben von leuchtenden Farben. Klänge und Melodien strömten auf mich ein. In mir erwachte ein stetig pochender Rhythmus.

Mai 2013